• Was zeichnet ein glückliches, ein zufriedenes Leben aus?
  • Wie können wir selbst dies beeinflussen?

Lange hat sich die Psychologie auf die Heilung klassischer Krankheitsbilder – wie z.B. Depressionen und Schizophrenie – fokussiert. Erst in den letzten Jahrzehnten entstand unter dem Schlagwort „Positive Psychologie“ ein neuer Teilbereich, der sich u.a. damit befasst, wie wir ein glückliches, zufriedenes Leben führen können.

Bausteine eines zufriedenen, glücklichen Lebens

Der Begriff Zufriedenheit anstatt Glück wird an dieser Stelle bewusst gewählt. Er bringt zum Ausdruck, dass es bei dem Themenfeld nicht darum geht, negative Emotionen wie Angst oder Wut abzulösen und durch möglichst viele Momente des (oft) kurzen Glücks zu ersetzen. Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier und positive Erlebnisse werden schnell zur Selbstverständlichkeit. Ziel ist vielmehr der Aufbau einer nachhaltigen Resilienz und Zufriedenheit.

Seligman unterscheidet in seiner „Glücksformel“ drei Faktoren, die unsere Zufriedenheit bestimmen: Einen Basis-Wert, der durch unsere Gene und Persönlichkeit bestimmt wird, die Umstände bzw. Umweltfaktoren und „freiwillige Faktoren“. Es ist durchaus so, dass unsere Persönlichkeit eine erste Ausrichtung vorgibt, wie optimistisch wir z.B. in die Zukunft blicken. Und auch der Bereich der Umweltfaktoren dürfte uns wohl allen bekannt sein. Aber entscheidend ist der letzte Faktor, denn er besagt, dass wir selbst einen essenziellen Beitrag zu unserer Zufriedenheit leisten können! Es gilt, diesen Einflussbereich zu vergrössern und den Fokus darauf zu legen.

Das „angenehme“ Leben

Im ersten Ansatzpunkt geht es darum, wie wir positive Emotionen wie Freude, Vergnügen oder Begeisterung verstärken können. Beeinflusst werden wir dabei durch unseren Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Beginnen wir mit der Vergangenheit. Oftmals neigen wir dazu, gerade negative Erlebnisse aus der Vergangenheit auf heute zu übertragen: „Ich habe immer Pech!“. Ziel ist es deshalb, durch Dankbarkeit und Vergebung die Wahrnehmung der Vergangenheit zu verändern. Eine Möglichkeit:

Werkzeug 1: Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch. Versuchen Sie es und notieren Sie sich die nächsten 4 Wochen jeweils abends drei Dinge, Menschen oder Erlebnisse, für die Sie dankbar sind!

Beim Blick in die Zukunft geht es nicht um blinden Optimismus, sondern darum, unsere Zuversicht zu stärken. Konkret heisst das, dass ich ein einzelnes, negatives Ereignis nicht als dauerhafte Katastrophe ansehe, die all meine anderen Lebensbereiche betrifft.

Werkzeug 2: Hinterfragen Sie Ihre Interpretation der Situation kritisch und geraten Sie nicht in eine Negativspirale. Schreiben Sie auf, was Sie gerade beschäftigt, oder sprechen Sie mit einem vertrauten Menschen. Ist es wirklich so schlimm? Ist Ihre Erklärung für einen Konflikt wirklich sinnvoll oder gibt es Alternativen?

Der Ansatzpunkt der Gegenwart zielt darauf, den Augenblick bewusst zu erleben. Was sich hochtrabend anhört, kennen wir doch alle. Wir sind auf dem Weg nach Hause und können uns am Ende gar nicht mehr erinnern, wie genau wir angekommen sind. Unser Gehirn ist darauf gepolt, auf Neues zu reagieren – also Energie zu sparen über Routinen. Dies ist durchaus sinnvoll, führt aber auch dazu, dass wir immer mehr wollen und selten zufrieden sind.

Werkzeug 3: Durchbrechen Sie Ihre Routinen und nehmen Sie einmal einen anderen Weg nach Hause.

Werkzeug 4: Nehmen Sie sich ein paar Minuten und machen Sie etwas bewusst mit allen Sinnen – z.B. ein Stück Schokolade essen oder einen Kaffee trinken.

 

Das „gute“ und sinnstiftende Leben

Die Verstärkung positiver Emotionen ist aber nur ein Ansatzpunkt. Zentral ist es, darüber hinaus ein für sich selbst „gutes“ und sinnstiftendes Leben zu führen. Was ist damit gemeint? Gemeinsam mit Kollegen aus dem Feld der positiven Psychologie hat Seligman 24 sogenannte „Signature/Character Strengths“ identifiziert. Dabei geht es um Stärken, die uns als Person auszeichnen und deren Ausleben für uns mühelos ist bzw. uns Energie zurückgibt. Im besten Fall erleben wir eine Art „Flow“-Moment, vergessen die Zeit und gehen in der aktuellen Tätigkeit auf. Beispiele für die Charakterstärken sind Neugierde, Ehrlichkeit oder soziale Intelligenz.

Es geht also nicht darum, Schwächen zu eliminieren, sondern Möglichkeiten zu finden, die eigenen Stärken im Alltag auszuleben. Setzen wir unsere Stärken zudem sinnstiftend ein, sind wir auf dem besten Weg zu einem nachhaltig zufriedenen Leben. Was wir dabei als sinnstiftend empfinden, gilt es für jeden persönlich zu entdecken.

Werkzeug 5: Identifizieren Sie Ihre Charakterstärken und finden Sie Wege, diese im Alltag zu integrieren. Eine kostenlose Möglichkeit bietet sich hier: VIA Character Strengths Survey & Character Reports | VIA Institute

Bei allen Vorschlägen gilt: Finden Sie heraus, was Ihnen Spass macht und fangen Sie damit an! Denn die Forschung zeigt auch: Eine Abkürzung zur nachhaltigen Resilienz und Zufriedenheit gibt es nicht. Wir sind gefordert, an uns und mit uns zu arbeiten.

Dr. Judith Martin

Expertin für Positive Psychologie (MED4LIFE)

«Zu hoher Zucker, zu schwer, zu füllig an den Rippen, zu hoher Blutdruck, zu hohe Fettwerte… Wenn Sie so weiter machen, dann endet das in einer metabolischen Gefäss-Herzkreislauf-Katastrophe mit Insulinspritzen, Arthrosen, Schlaganfall und Herzinfarkt! Ausser Sie tun genau das, was wir Ihnen sagen». So oder so ähnlich beginnen viele Ratgeber zum metabolischen Syndrom. Nun, das Schüren der Angst mag bei einigen Betroffenen zu einer Verbesserung der soeben aufgeführten Parameter führen. Der Impuls zur Änderung des Lifestyles – so bleibt jedoch auf Basis meiner jahrzehntelangen Erfahrung in der ambulanten Medizin zu befürchten – entspringt viel zu häufig Bedenken und Angst. Angst ist leider ein mächtiger und manipulativer Ratgeber. Drohende gesundheitliche Folgeerkrankungen und gesellschaftliche Schönheitsideale sorgen für ein schlechtes Gewissen und Angst, am „Schaufeln des eigenen Grabs“ oder der sozialen Isolation am Ende selbst Schuld zu sein. In unserer Leistungsgesellschaft ist der Druck auf dem Einzelnen, seines eigenen Glückes Schmied zu sein, sehr hoch.

Kommen wir zunächst zu den Komponenten des Metabolischen Syndroms, um ein einheitliches Verständnis für die damit bezeichneten Symptome zu kreieren.

  • Übergewicht und erweiterter Umfang der Taille
    Grundsätzlich schützt uns Übergewicht vor Hungertod oder Erfrieren – ein Mechanismus, dem jeder Igel oder Bär zustimmen würde. Freuen wir uns doch, dass in Zentraleuropa weder Hunger noch Kälte akute Probleme darstellen und trennen uns ruhigen Gewissens von dieser Sorge. Der Körper ist auf den Aufbau von Reserven durch unsere hormonaktiven Fettzellen bestens vorbereitet, denn in keiner Epoche der Menschheitsgeschichte dürfte das Nahrungsangebot so gut verfügbar und hochkalorisch gewesen sein wie heutzutage. Unser Stoffwechsel ist eben noch nicht im Jahre 2021 angekommen – helfen wir ihm und zeigen ihm die beste Navigation durch unsere Zivilisation. Angst löst das Problem nicht: Besser sind ein grundlegendes Wissen um die physiologischen Mechanismen und die Vermittlung von Methoden, um eine „artgerechte“ Ernährung zu erlernen und zur Gewohnheit zu machen.
  • Erhöhter Blutzucker
    Ein erhöhter Blutzucker geht meist einher mit Übergewicht oder kann die Folge von Inaktivität sein. Es ist ein Phänomen des 21. Jahrhunderts, dass wir uns immer weniger Zeit für reale Bewegung nehmen. Damit meine ich Zeitfenster für sportliche Aktivitäten oder ein erholsamer Waldspaziergang und nicht die omnipräsente Rastlosigkeit und Angst, etwas zu verpassen. Es ist grotesk: Termindruck und Alltagshektik sorgen für psychische Dynamik (oft unvorteilhaft), aber für körperliche Bequemlichkeit und Stillstand. Lösen wir uns doch von der Angst, nicht effektiv zu sein, und gönnen uns öfter einmal eine längere Wanderung. Ja, auch Sport darf sein – und gerne mehr als die notwendigen 20 min/Woche, die uns die Hightech-Fitnessindustrie empfiehlt. Sport und Bewegung ist Zeit für uns: Wir müssen sie uns nur nehmen.

  • Erhöhte Blutfette
    Erhöhte Blutfette sind nicht nur auf Übergewicht zurückzuführen, sondern häufig auch auf qualitativ minderwertige und vermeintlich kostengünstige Ernährung. Kostengünstig stimmt sogar in gewisser Hinsicht. Pro eingekaufte Kalorie ist industriell verarbeitetes Essen relativ am günstigsten – nur ist Hunger in den meisten Industriestaaten eher kein akuter Engpass (mehr). In diesem Zusammenhang kommt dann die „Nährstoffdichte“ ins Spiel: Statt in der verhältnismässigen unsinnigen Kaloriendichte zu denken, geht es zunehmend darum, dem Körper durch natürliche Lebensmittel wie Gemüse und Obst viele lebensnotwendige Vitamine und Mineral- und sekundäre Pflanzenstoffe zuzuführen – und zwar ohne gleichzeitig zu viel Kalorien zu sich zu nehmen. Vereinfacht gesagt: Gemüse hat eine niedrige Kaloriendichte, aber eine hohe Nährstoffdichte. Pommes Fries haben eine hohe Kaloriendichte, aber eine niedrige Nährstoffdichte (Nährstoffe/kcal). Schade irgendwie: Wer nimmt sich heute noch Zeit für das Zubereiten frischer Lebensmittel, die in der Kombination sehr wohl gut schmecken können? Sollten Sie gesund kochen, und das Problem läge eher darin, dass Sie einfach zu viel essen, dann wohl, weil eine subtile Angst ihnen einflüstert, sie bekämen nie wieder etwas so Feines demnächst.
  • Arterielle Hypertonie
    Der erhöhte Blutdruck ist ein Phänomen für sich und kann natürlich auch bei nicht metabolischen Betroffenen auftreten. Sollte man aber Gewicht, Blutzucker und Blutfette in den Normbereich senken, kann man in der Regel auch mit einer Verbesserung des Blutdrucks rechnen. Wieso straft uns die Natur denn überhaupt mit unterschiedlichen Werten des Blutdrucks? Ein dauerhafter Paradeblutdruck von 120/80 mmHg wäre doch viel einfacher. Nun, fragen Sie sich einmal, wieso ein PKW mehrere Gänge und ein Gaspedal hat. Nach dieser Logik benötigt der Körper bei hoher körperlicher Belastung mehr Versorgung mit sauerstoffreichem Blut als im Ruhezustand. Diese Variabilität hilft uns, uns bestmöglich an eine abwechslungsreiche Umwelt anzupassen. Aber auch hier wird mit den Folgen einer Bluthochdruckerkrankung viel zu aktiv geworben und vorschnelle Therapien in die Wege geleitet. Zunächst einmal geht nichts über eine saubere Dokumentation der Blutdruckwerte (z.B. in Form eines Tagebuchs). Wie gesagt: Unser Körper passt sich an. Eine Behandlung auf Basis eines einzelnen gemessenen  Wertes ist fahrlässig und unseriös. Ich plädiere grundsätzlich für eine Entmystifizierung des Bluthochdrucks: Er ist häufig gut zu verstehen und gut zu therapieren – und muss nicht zwingend ein lebenslanges Schicksal sein, dem man sich nun beugen muss.

Hat sich jemand eigentlich schon mal Gedanken gemacht, was aus der Angst wird, wenn das metabolische Syndrom (teilweise) zu akzeptablen Normwerten reguliert wurde? Viele der Indikatoren eines Metabolischen Syndroms sind nämlich reversibel, also bei entsprechenden Anpassungen des Lebensstils umkehrbar – oft ohne bleibende Schäden je nach Schwere der Symptomatik und Zeitpunkt der Intervention.

Könnte es sein, dass diese Angst sich irgendwo in uns als dauerhafte Triebfeder eingenistet hat und uns somit «schützt»? Das mag wohl die positive Theorie zu unserer Verhaltensänderung darstellen – die Angst als natürliche Schleife, damit wir überleben. Es könnte aber doch auch sein, dass wir dauerhaft von dieser kleinen, lästigen Angst unbewusst geplagt sind, welche sich nur allzu gerne mit weiteren kleinen Ängsten zu einem beträchtlichen Konvolut von Angst entwickeln kann. Hier das Übergewicht, dort eine gescheiterte Beziehung und an anderer Stelle eine chronische Unzufriedenheit im Job: Unglück kommt selten allein, genauso wenig wie eine manifeste Depression. Ich denke eine etwas andere Betrachtungsweise hätte ebenso einmal einen Gedanken verdient. Am Ende ist vielleicht alles gar nicht so schlimm und türmt sich auf, wenn wir der ursprünglichen Ausgangslage etwas Positives abgewinnen – ohne die Angst als extrinsischen Reiz zu instrumentalisieren.

Ich habe versucht aufzuzeigen, dass ein Metabolisches Syndrom – aus physiologischen Ängsten entstehend – bei falscher Herangehensweise dauerhaft zum generellen Angstgefühl beitragen kann. Was also wäre mein Vorschlag? Reden Sie mit Ihrem Arzt – er wird Ihnen (hoffentlich) das richtige Team zur Seite stellen, um eine etwas andere, weniger bedrohliche Perspektive zu schaffen. Aber auch Sie selbst sind gefordert – und zwar in einem schönen, motivierenden Sinn: Nehmen Sie sich auch Zeit für sich, bewegen Sie sich, kochen Sie gemeinsam mit Familie und Freunden. Fokussieren Sie sich auf das, was Ihr Körper zu leisten imstande ist – nicht nur auf Defizite im Vergleich zu anderen Menschen. Sie werden sehen, dass Ihr Körper Ihnen bei vielen der aufgeführten Aktivitäten ein positives Feedback geben wird, welches Sie motiviert, weiterzumachen. Unsere Gesellschaft ist zu ängstlich geworden. Kopf einziehen und verstecken hilft hier nicht. Mit positiver Energie lässt sich nachhaltiger Wandel am besten umsetzen. Viele meiner Patienten, die von Ausprägungen eines Metabolischen Syndroms betroffen waren und sich selbst geheilt haben, würden mir hier zustimmen.

Dr. Robert Klingl

Dr. Robert Klingl

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Chief Medical Officer (MED4LIFE)

Die empfehlende Aussage «gesunder Geist in einem gesunden Körper» (MSICS), unterliegt seit seinem römischen Ursprung einem steten Wandel durch die Jahrhunderte. Allerdings nicht in der Kernaussage, sondern in den Umständen der Möglichkeiten zur aktiven Umsetzung. Noch nie war es vermeintlich einfacher, das Konzept MSICS im digitalen Zeitalter effektiv zu leben. Das Internet bietet ausreichend Instruktion zu individuell angepasstem Training, Ernährung, Lifestyle und Ratgeber-Wissen (den Blogbeitrag, den Sie gerade lesen, ist ein Indiz hierfür). Devices wie Smartwatches führen Buch über Gehleistung, Schlaf und Herzrhythmus – praktisch jede Frage, die wir uns zu unserer Gesundheit stellen können, hat ein digitales Pendant. In der Unternehmenswelt entsteht eine richtige Gründerwelle zum Thema „Digital Health“. Und auch die Wissenschaft hält Schritt mit diesen Entwicklungen: So betreibt die ETH Zürich das Centre for Digital Health Interventions (CDHI), das digitale Biomarker zur Vermeidung chronischer und psychischer Erkrankungen erforscht.

So weit, so gut. Die digitale Welt erleichtert uns also unsere Lernkurve und erhöht unseren Wissensstand. Optimal gerüstet ist der Geist (Mens) in den heutigen Zeiten also gesund? Weit gefehlt! Ein gesunder Geist ist ein solcher, der sich selbst findet, in sich ruht und wächst an selbstbestimmter Herausforderung – und nicht an steter Überforderung. Die digitale Welt ist mittlerweile an Informationsvolumen nicht mehr greifbar, es wächst exponentiell. Die Gefahr einer Überinformation ist naheliegend, insbesondere wenn die Kompetenz für Filterung und Selektion der relevanten Informationen nicht (mehr) vorhanden ist. Wir haben es also mit einem klassischen Paradoxon zu tun: Das verfügbare Wissen rund um Gesundheit war in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie so gross wie heute – und doch macht uns unser Lebensstil so krank wie nie zuvor (daher auch der Begriff der „Zivilisationskrankheiten“).

Die Anforderung, der wir uns als digital anerzogene oder digital native Generationen stellen müssen, ist die klare Trennung zwischen der digitalen Welt und den Sinneseindrücken der realen Welt. Erfahrungen in der einen Welt können nicht kompensieren für Defizite in der anderen Welt. Dies gilt insbesondere für heutzutage stark verbreitete Missstände in der realen Welt – hier können Körper und Geist gesundheitsfördernd behandelt werden: Ausreichend Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, Zeit an der frische Luft, kontrollierte Sonneneinstrahlung und erholsamer Schlaf.

Unter dem Aspekt der unbewussten digitalen Beeinflussung bringt mich ein analoger Turnschuh zum Schmunzeln. Die nicht unbekannte Laufschuhmarke nutzt als Markennamen das Akronym ASICS: «Animus sana in corpore sano», Geist (Mens) wird also durch Seele, Herz und Mut (Animus) ersetzt. Wunderbar analog! Und die wenigsten ASICS-Träger sind sich bewusst, dass sie auf einer alten Weissheit stehen und laufen.

Kommen wir zurück zum «sich selbst finden». Das ist leichter gesagt als getan. Man könnte meinen, dass sich finden voraussetzt, bisweilen auch verloren zu sein. Ich würde es etwas milder formulieren und davon ausgehen, dass man in seinen Lebensphasen mehrfach abgelenkt wird und einfach wieder dorthin zurückfinden sollte, wo es damals für die meisten von uns so wunderbar einfach war: In der (hoffentlich) unbeschwerten Kindheit.

Haben Sie kürzlich einmal die Augen eines Kindes gesehen, welches Freude strahlend über eine Wiese geht, wenn die Sonne scheint oder übermütig in einen Schneehaufen springt? Kennen Sie den Glanz wissbegieriger Kinderaugen, die noch träumen können, und bereit sind, jeden Tag Neues zu lernen und die Welt zu erkunden? Niemand muss einem Kind den Spass an Bewegung vermitteln (corpore sano) – es liegt in unserer DNA. Ebenso sind Kinder sehr direkt in der Artikulation ihrer Bedürfnisse, Wünsche und Ansichten. Worüber wir Erwachsene in solchen Situationen häufig schmunzeln oder im Sinne der Höflichkeit die Nase rümpfen, ist ein wesentlicher Teil psychischer Hygiene (mens sana): Authentisch sein dürfen und in Einklang mit sich selbst leben. Leider haben viele von uns auf dem Weg, den Sie über Jahrzehnte gegangen sind, ihre Wurzeln vergessen: Spielen, Spass haben, Neues lernen. Dementsprechend entsteht häufig ein Gefühl der Hilf- und Orientierungslosigkeit.

Ist die Lösung für die Gesundheit der Menschheit also eine völlige Abkehr von der digitalen Welt? Immerhin machen Social Media, häufiges Sitzen, lange Bildschirmzeiten nachweislich krank bzw. unglücklich. Zunächst dürfen Körper und Geist nicht getrennt voneinander betrachtet werden – das relativ junge Forschungsfeld der Psychoneuroimmunologie belegt die vielfältigen Wechselwirkungen (entgegen der separaten Sichtweise der alten Römer). Körper und Geist können also nicht zum Einklang finden, solange der Mensch nicht zu sich und seiner Psyche steht (Mens) und seinen Körper „artgerecht“ unterhält (Corpore).

Was ist diesbezüglich der aktuelle Stand? Widmen wir uns doch einmal dem perfekten Körper. Er ist durchtrainiert, perfekt ernährt, ästhetisch ansprechend. Würde so ein Körper automatisch zum gesunden Geist führen? Nun, digital vielleicht – allzu gross ist die Versuchung, sich in den sozialen Medien als glücklicher, durchtrainierter und gesunder Mensch zu präsentieren. Die Realität  liegt allerdings noch immer in der analogen Welt. Im Gespräch mit Augenkontakt, im Empfinden der Aura des Gegenüber, in der Wahrnehmung der umgebenden Umwelt – das ist evolutionär determiniert durch unser Erbe als soziale Lebewesen. Was uns unsere römischen Vorfahren sagen wollten, ist, dass ein gesunder Geist nur in der realen Welt stattfinden kann. Oder haben Sie jemals geschafft, 10 digitale Liegestützen zu machen?

Fazit: Die digitale Welt ist etwas Wunderbares, wenn man sie zu nutzen weiss. Allerdings zwingend innerhalb der Grenzen unserer realen Welt, nicht umgekehrt. Warum nicht einmal ohne Smartphone und Laptop auf einer Parkbank oder in einem gemütlichen Café sitzen und die wunderbare Gegenwart der realen, analogen Welt geniessen? Das wäre mir ein persönliches Anliegen als Mensch, aber auch ein fachliches Anliegen auf Basis meines Wissens rund um einen gesunden Geist in einem gesunden Körper.

Dr. Robert Klingl

Dr. Robert Klingl

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Chief Medical Officer (MED4LIFE)